Nachhaltig bauen in der Heimat des Parma-Schinkens

Die Keramikhülle der zwei neuen Bürogebäude (rechts und Mitte) korrespondiert mit den Bestandsbauten (links) des Architekten und Industriedesigners Vico Magistretti

Die 2019 mit „LEED Platinum“ zertifizierten neuen Bürogebäude auf dem Campus der Crédit Agricole Italia in Parma gelten als Musterbeispiel des nachhaltigen Bauens. Geplant vom Architekturbüro Frigerio Design Group aus Genua, harmonieren sie mit den Bestandsgebäuden, bieten eine wohltuende Arbeitsumgebung, sind in hohem Maße energieeffizient und setzen auf nachhaltige Baumaterialien. Auch das keramische Fassadensystem war Teil dieses Nachhaltigkeits-Konzeptes.

Erweiterung des bestehenden Campus
Die Bank Crédit Agricole Italia ist die Tochter einer der größten Geschäftsbanken Frankreichs und hat seinen Sitz südwestlich der Altstadt von Parma am Rand eines weitläufigen Parks. Hier stehen einige Gebäude, die der Architekt und Industriedesigner Vico Magistretti in den 1980er-Jahren für die damalige Cassa di Risparmio di Parma entworfen hat, sowie drei markante Neubauten des Architekturbüros Frigerio Design Group. Herz des neu strukturierten Campus für insgesamt 1 500 Mitarbeiter ist das eingeschossige Forum mit umlaufender Glasfassade und begrünten Dach. Es dient zugleich als Empfangsgebäude, zentraler Treffpunkt und Sitz des Firmenrestaurants. Darüber hinaus führt der Weg von hier aus zu zwei freistehenden viergeschossigen Büroriegeln, deren weit über den Flachdachrand aufragende Pultdachaufbauten mit ihren Photovoltaik-Paneelen ein Statement für vorbildliche nachhaltige Planung setzen.

Nachhaltigkeit und Mitarbeiterwohlbefinden
Grundlage des Entwurfsansatzes bildet die von Crédit Agricole unter anderem mit den Schlagworten „Green Life“ und „Smart working“ neu definierte Markenidentität. Hinzu kommt, dass ökologisches und nachhaltiges Bauen seit jeher eines der zentralen Anliegen der Architekten ist. Nachhaltig ist das neue Headquarter aber nicht nur wegen der erdwärmebasierten Heizungs- und Kühlanlage, der Grauwassernutzung und der natürlichen Nachtauskühlung der Büros, sondern vor allem wegen seiner Vielfalt an Arbeitsumgebungen, die die Menschen dauerhaft gern nutzen, weil sie sich dort wohlfühlen.
Die Bürogebäude bieten auf der Südseite Open Spaces mit Lounge-Bereichen und Rückzugsinseln und im Norden meist abgeschlossene Büros und Meeting-Zonen, während die begrünten Innenhöfe unter den Pultdächern für viel Tageslicht und kommunikative Durchlässigkeit sorgen. Die großflächig verglasten Südfassaden und die offenen Grundrisse ermöglichen hohe solare Gewinne im Winter. Den sommerlichen Sonnenschutz bietet eine vorgelagerte Schicht aus kleinteiligen Streckmetallelementen. Die mit dem vorgehängten und hinterlüfteten keramischen Fassadensystem bekleideten Nord-, Ost- und West-Fassaden sind hingegen eher geschlossen, um Wärmeverluste zu minimieren.

Stringente Architektursprache mit Keramik-Elementen
Anfänglich erscheinen diese Fassaden über dem vollverglasten Erdgeschoss vor allem als geheimnisvoll flirrende Flächen aus unterschiedlich dimensionierten horizontalen Fenster- und Keramikstreifen. Manche der Felder gehen fließend ineinander über, andere berühren sich nur an den Ecken. Folge ist eine luftig und leicht wirkende Gebäudehülle, die aufgrund der kaum ablesbaren Geschosse auf spielerische Weise verschleiert, wie groß die Gebäude sind. Als Neuinterpretation der streng linearen Bandfassaden von Vico Magistrettis Bestandsbauten sorgt die neue Keramikhülle zudem für ein angenehm einheitliches Bild auf dem Campus. Dies gelingt nicht zuletzt durch die vergleichbaren Farb- und Oberflächenqualitäten: Magistretti setzte ockerfarbene Backsteine ein, die Architekten der Frigerio Design Group wählten Lachsfarbene unglasierte Keramikfliesen in der Farbe „Natura 412“.

Sonderformate und -querschnitte in vorgefertigter Fassade
Auf den zweiten Blick sind im sanft wogenden Meer aus Fenster- und Keramikstreifen Regelmäßigkeiten zu erkennen: Einerseits lassen wiederkehrende Bauteilabmessungen auf ein strenges Gebäuderaster schließen, andererseits verweisen vertikal auf ganzer Höhe durchlaufende Fugen auf die Vorfertigung großer Fassadenelemente. Alle wesentlichen Gebäudemaße beruhen auf dem Grundmaß 180 cm, die Stützenabstände und Geschosshöhen ebenso wie die Größe der Fassadenelemente.
Angesichts der 180 cm breiten und 360 cm hohen Fertigteile und des Architektenwunschs nach schmalen Querformaten, die die Horizontale unterstreichen, sind die Keratwin-Fassadenfliesen 90 x 20 cm groß. Um perfekt in die Fertigteile eingepasst werden zu können, kamen darüber hinaus sowohl in der Größe als auch im Querschnitt leicht abweichende Spezialformate zum Einsatz.

Positive Auswirkung auf die LEED-Platinum-Zertifizierung
Die Fassadenelemente wurden komplett mit Fenstern und der von Keramikhesteller Agrob Buchtal einbaufertig gelieferter Fassadenkeramik vorgefertigt, was einige Vorteile bot: Die einzelnen Komponenten ließen sich wetterunabhängig in einer Werkhalle schnell und präzise fügen und anschließend auf der Baustelle montieren. Die Vorfertigung ermöglichte es aber auch, die Gebäudehülle von Anfang an nach dem Credo der Architekten „minimal, simple and green“ zu entwickeln und dabei „langlebige und recycelbare Materialien einzusetzen, die den Wartungsaufwand reduzieren.“
Das mit LEED Platinum ausgezeichnete Gebäude entspricht letztlich genau dem, was die Architekten bei der Bürogründung vor fast 30 Jahren als „Slow Architecure“ bezeichneten: „Unsere Architektur ist gern dort, wo wir sie hingebaut haben. Sie identifiziert sich mit ihrer Umgebung und will gelebt werden. Und sie hat keine Angst davor, alt zu werden“, Ein klares Statement, dem nichts mehr hinzu zu fügen ist.

  • Mittig zwischen den Büro-Neubauten platziert, bildet das eingeschossige, großflächig verglaste Forum das neue Zentrum des Green Life Headquarters von Crédit Agricole Italia, Parma (Foto: Frigerio Design Group / Enrico Cano)

  • Unregelmäßige Flächen aus unterschiedlich großen Fenster- und Keramikstreifen lassen die Nordfassade (links) geheimnisvoll flirren und verschleiern spielerisch das Volumen des Gebäudes (Foto: Frigerio Design Group / Mario Carrieri)

  • Um die Horizontale zu unterstreichen, setzten die Architekten auf schmale KeraTwin-Fassadenkeramik von Agrob Buchtal, die mit 90 x 20 cm dem Gebäude-Rastermaß von 180 cm entspricht (Foto: Frigerio Design Group / Mario Carrieri)

  • An definierten Stellen wird die mit Hytect-Veredelung versehene Keramikhülle von einer leichten Schicht aus Streckmetallelementen überlagert, die für sommerlichen Sonnenschutz sorgt (Foto: Frigerio Design Group / Enrico Cano))

  • Die Keramikfassade wurde als 180 x 360 cm große Elemente vorgefertigt. Neben dem Hauptformat 90 x 20 cm lieferte Agrob Buchtal zwecks optimaler Einpassung auch Fassadenfliesen mit leicht modifizierten Spezialdimensionen (Foto: Frigerio Design Group / Enrico Cano)

  • Auch innen überzeugen die Gebäude durch souveräne Weite, filigrane Transparenz und rhythmische Zonierung – ein Ambiente, in dem man effizient arbeiten kann und sich wohlfühlt (Foto: Frigerio Design Group / Mario Carrieri)

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Crédit Agricole Italia S.p.A., ehemals Crédit Agricole Cariparma S.p.A., ist eine italienische Bankengruppe, die selbst eine Tochtergesellschaft der französischen Bankengruppe Crédit Agricole ist. Der Crédit Agricole Italia war zum 31. Dezember 2015 die elftgrößte Bank Italiens.
Die Zentrale ist in Parma, gegründet wurde sie 1860, der Chef ist seit 2007 Giampiero Maioli. Das Gesamtvermögen wird mit 52,99 Milliarden EUR (2016) angegeben.

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INFO:
Zur Klassifizierung nachhaltiger Gebäude wurde das US-amerikanische System LEED (= Leadership in Energy and Environmental Design) 1998 auf Basis des britischen Zertifizierungssystems BREEAM entwickelt. Seit 2002 ist die Zertifizierung auch in Kanada möglich. Dort wurden die Vorgaben des amerikanischen Systems übernommen und im Detail auf die klimatischen Verhältnisse, üblichen Bauweisen und Gesetze des Landes angepasst. Allerdings ist die Bewertung von Schulen, Einzelhandel, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen mit LEED Canada noch nicht möglich. Die Beurteilung von Gebäuden erfolgt bei beiden Bewertungssystemen durch Punktevergabe für einzelne Kriterien. Die Summe der erreichten Punkte entscheidet, wie das Bauwerk bei der Zertifizierung eingestuft wird. LEED bezieht sich auf alle Phasen des Lebenszyklus. Für die Einführung und stetige Weiterentwicklung des Systems sind der United States Green Building Council (USGBC) mit Hauptsitz in Washington bzw. der Canada Green Building Council (CaGBC) mit Hauptsitz in Ottawa verantwortlich.
Beurteilungskategorien:
Nachhaltiger Grund und Boden (Sustainable sites)
Wassereffizienz (Water efficiency)
Energie und Atmosphäre (Energy & atmosphere)
Materialien und Ressourcen (Materials & resources)
Innenraumqualität (Indoor environmental quality)
Innovation und Designprozess (Innovation & design process)
(Quelle: Baunetzt Wissen)

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DIE FASSADEN-BEKLEIDUNG
Die 90 x 20 cm großen >KeraTwin-Fassadenfliesen< bestehen aus natürlichen Rohstoffen mit hochwertigem Ton als Hauptbestandteil. Dank werkseitig dauerhaft eingebrannter Hytect-Veredelung verbessern sie die Luftqualität durch den Abbau von Abgasen wie Stickoxid und wirken zugleich antibakteriell ohne Chemie, um so wirkungsvoll einer Veralgung beziehungsweise Vermoosung vorzubeugen. Außerdem ergibt sich durch die hydrophile („wasserliebende“) Oberfläche ein Self-Washing-Effekt, der jeden Regeschauer zu einem kostenlosen und umweltfreundlichen Reinigungsvorgang macht. Geliefert wurden sie von der Agrob Buchtal GmbH (Buchtal 1, 92521 Schwarzenfeld, www.agrob-buchtal.de/).