Neben dem Weitblick und dem Schutz von Lärm zitieren die aufgeständerten Gebäude den angrenzenden Schweizer Garten. Als verbindendes Element führt ein künstlich geschaffener, begrünter Hügel unter den Hochhäusern hindurch, während diese darüber zu schweben scheinen (Foto: Michel Denancé)

Auf hohen, schlanken Pylonen, mit Blick in die Ferne balancieren sie, die neuen Parkapartments und das Hotel Andaz Vienna Am Belvedere. Das Gebäudeensemble aus fünf Wohn- und Hoteltürmen von Renzo Piano Building Workshop (RPBW) befindet sich im neuen Wiener Stadtteil Quartier Belvedere auf dem Areal des ehemaligen Südbahnhofs, zwischen historischem Arsenal und modernem Erste Campus. Dort wo früher Züge hielten, ist nun das erste Projekt des bekannten italienischen Architekten in Österreich fertiggestellt worden. Und auch die Keramikfassade ist in ihrer Produktionsart bisher einmalig.
Es ist das größte innerstädtische Stadtentwicklungsgebiet: Das Quartier Belvedere im 10. Wiener Gemeindebezirk „Favoriten“. Entstanden aus der Zusammenführung von Ost- und Südbahnhof, beheimatet das über 10 000 Quadratmeter große Grundstück nun einen neuen Zentralbahnhof sowie die neuen Stadtteile Sonnwendviertel und Quartier Belvedere. Neben der guten Infrastruktur und den angrenzenden Grünanlagen Schweizergarten, Schlossgarten Belvedere und Botanischer Garten bietet das Quartier auch einen hervorragenden Panoramablick über das Zentrum Wiens. Die beste Voraussetzung hierfür versprechen die 346 Wohnungen der Parkapartments und 303 Hotelzimmer am Belvedere in exponierter Lage. Auf neun Meter Höhe beginnen die ersten Etagen, in 60 Meter enden sie. Somit liegen die Wohneinheiten nicht nur über den Baumkronen des Schweizergartens, sondern auch weit genug von den Lärmquellen des Zug- und Autoverkehrs entfernt.
Die Sockelgeschosse, die durch die Pilotis (Stützen) ein vielfältiges Wechselspiel aus Baukörpern und landschaftsgärtnerischen Freiräumen zulassen, dienen den öffentlichen Bereichen wie den Eingängen, Empfangsräumen, dem Restaurant und Parkhaus. Gleichzeitig gewähren sie durch ihre zum Teil offene Bauweise auch einen Blick unter und zwischen den Gebäudeteilen hindurch. Diese Säulenkonstruktion und die einzelnen, geschwungenen Baukörper verbessern im Vergleich zum ursprünglich geplanten, massiven Einzelgebäude auch die Wohnqualität der Bewohner: flexible Grundrisse, Ausblick in mehrere Richtungen und Sichtschutz vor Nachbarn. Die Wohnungsgrößen zwischen 45 bis 285 Quadratmetern sind dabei auf unterschiedliche Lebensentwürfe, Familienkonstellationen und Altersgruppen zugeschnitten.

Neu entwickelt:
Gebogene Keramikplatten für Gebäudeecken

Für ein stimmiges, hausübergreifendes Gesamtbild haben sich die Architekten von RPBW neben einem Gebäudeabschluss auf gleichem Höhenniveau auch für eine einheitliche Fassadengestaltung entschieden. Diese ist in ihrer Materialität ebenso vielfältig wie auch hochwertig. Neben Aluminium und Glas überzeugen vor allem die filigranen, grau glasierten Keramikelemente, die die geschosshohen Fenster umrahmen. „Mit den Keramikplatten, die sich durch ihre Dauerhaftigkeit und Formbarkeit auszeichnen, und dank des eigens dafür entwickelten Produktionsverfahrens ließ sich ein Fassadenrelief aus weichen Formen und abgerundeten Gebäudeecken gestalten“, so beschreibt der Architekt Thorsten Sahlmann von RPBW die Gestaltung. Der vom deutschen Keramik-Hersteller Moeding individuell entwickelte, helle Grauton bricht dabei die geschlossene Fensterfront durch seinen Sonnenlicht reflektierenden Charakter auf und changiert in subtiler Weise von grau zu rötlich bis ins Bläuliche. Insgesamt stellte das Unternehmen für die Fassadenflächen 60 000 Einzelteile her. Eine Herausforderung in Anbetracht der kurzen Produktionszeit und der speziellen Fertigung von waagerecht gebogenen Ziegelplatten. Die Fassade wurde vorgehängt und hinterlüftet montiert.
In enger Zusammenarbeit mit den Wiener Architekten NMPB, die die Projektleitung vor Ort übernahmen, ist es Renzo Piano Building Workshop bei diesem Projekt gelungen, die städtebauliche Lage, die hohe Wohndichte sowie den Anspruch hochwertiger Qualität in eine selbstbewusste Architektursprache zu übersetzen. Die Verbindung zur umliegenden Natur, eine für Renzo Piano wichtige Komponente, findet sich in den baumähnlichen Pilotis (Stützen) wieder und zeugt von außergewöhnlicher Originalität.

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Baudaten:

Projektname: Parkapartments am Belvedere, Wien
Bauherr: SIGNA Holding GmbH
Architekten: Renzo Piano Building Workshop in Zusammenarbeit mit NMPB Architekten (Wien)
Fassadenbekleidung: Moeding Keramikfassaden Alphaton

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Lageplan

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Renzo Piano,
geboren 1937 in Genua, zählt zu den bekanntesten und renommiertesten Architekten des 20. und 21. Jahrhunderts. Der weltweite Durchbruch gelang ihm 1977 mit dem revolutionären Konzept des „Centre Pompidou“ in Paris, welches er gemeinsam mit dem britischen Architekten Richard Rogers entwickelt hatte. Neben dem Centre Pompidou wurde Renzo Piano vor allem durch das New York Times Building (2007), Europas höchstem Wolkenkratzer „The Shard“ (2012) in London sowie Großprojekte in aller Welt bekannt, von der Bebauung des Potsdamer Platzes in Berlin über das Whitney Museum of American Art in New York bis zum neuen Justizpalast in Paris.
Mit seinem äußerst eigenständigen Stil gilt Renzo Piano als einer der individuellsten Architekten unserer Zeit und beweist einen souveränen Umgang mit Materialien und Konstruktionen und große Handwerkskunst im Bereich der Bautechnologie. Bei all seinen Projekten dient die Technologie dazu, das Licht zu beleben, das Umfeld zu respektieren und die Integration in die Natur zu ermöglichen. Von sich reden machte Renzo Piano zuletzt mit dem Neubau der im August 2018 eingestürzten Morandi-Autobahnbrücke in seinem Geburtsort Genua. Das neue Viadukt soll bereits im Februar 2020 fertig sein. Es solle einem „Schiff, das das Tal durchfährt“ ähneln, sagte Piano. „Es ist die richtige Idee, denn Genua ist eine Stadt des Meeres.“ Laut Medienberichten soll er den Neubau ohne Honorar geplant und gebaut haben.